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Studien zur Rückfälligkeit von Straftätern: Viele methodische Schwächen

Viele Studien zur Rückfälligkeit von Straftätern haben gravierende methodische Schwächen. Man kann sich einige der Probleme leicht klarmachen, wenn man sich den Grundaufbau der meisten Studien vergegenwärtigt. Da werden zum Beispiel die Akten von 100 Straftätern untersucht, die vielleicht vor zehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurden. Aus Datenschutzgründen müssen die Namen anonymisiert werden. Sie werden durch einen Schlüssel ersetzt (zum Beispiel eine zufällige Kombination aus Zahlen und Buchstaben). Dann werden zu jeder Person Strafregisterauszüge angefordert. Man will ja sehen, wer in den zehn Jahren seit seiner Entlassung rückfällig geworden ist und geht davon aus, dass man das an einem neuen Eintrag im Strafregister erkennen kann. Weil die Strafregisterauszüge aber häufig anonym zurückgemeldet werden, sieht das in der Praxis so aus: Die Person mit dem Schlüssel az4ts3qp hat einen neuen Eintrag für ein Sexualdelikt. Die Person r62xpi0w hat gar keinen Eintrag und die Person 3rih7c4 hat einen Eintrag für einen Diebstahl. Man hat es also nur mit anonymisierten Auszügen zu tun. Darum kann man die Plausibilität des Eintrags im Einzelfall nicht mehr überprüfen. Schon allein durch diesen Umstand kommt es zu Fehlern. Es gibt Namensverwechslungen, Aliasnamen, Schreibfehler - zum Beispiel bei komplizierten Namen mit vielen Konsonanten hintereinander - und noch viele andere Probleme.

Denn, wenn Strafregisterauszüge zum Beispiel nach zehn Jahren angefordert werden, kann in dieser Zeit schon viel geschehen sein. Der Täter kann verstorben oder ins Ausland umgezogen sein. Letzteres gilt vor allem für ausländische Täter oder solche mit Migrationshintergrund. Das erkennt man an den Strafregisterauszügen nicht. Sie kommen einfach leer zurück und man nimmt an, die Person ist nicht rückfällig geworden. Es kann aber sein, dass sie einfach ihren Wohnsitz im Ausland hat. Möglich ist auch, dass die Person zehnmal rückfällig wurde, aber mittlerweile verstorben ist und der Auszug deswegen leer ist.

Jetzt könnte man meinen, man geht diesem Problem dadurch aus dem Weg, indem man die Strafregisterauszüge vielleicht schon nach zwei Jahren bestellt. Damit wird die Zeit verkürzt, in der eine Person zum Beispiel versterben oder das Land verlassen kann. Dass jemand nach zwei oder drei Jahren im Strafregister erscheint, ist aber selbst dann unwahrscheinlich, wenn der Täter rasch rückfällig geworden ist. Man muss sich vergegenwärtigen, dass der Täter erst einmal eine Tat begehen, dass er dann erwischt, dann rechtskräftig verurteilt und dieses Urteil schließlich auch noch im Strafregister eingetragen werden muss. Das dauert. Und so haben zum Beispiel etliche rückfällige Täter nach zwei Jahren formal noch einen leeren Strafregisterauszug.


Meine Mitarbeiter und ich haben uns über sehr viele Jahre mit solchen Studien und all den damit zusammenhängenden methodischen Problemen beschäftigt. Wenn man halbwegs verlässliche Zahlen haben will, dann muss man zum Beispiel Abgleiche mit Sterbe- und Einwohnermelderegistern durchführen. Vor allem sollte man tunlichst nicht mit anonymen Strafregisterauszügen arbeiten. Es gibt aber nur sehr wenige Studien, die diesen Aufwand treiben. Deswegen fallen die Rückfallquoten, die in vielen Studien angegeben werden, viel geringer aus, als sie tatsächlich sind. An vorderster Front äußern sich hier gerne einige Kriminologen mit steilen Thesen. Beispielhaft kann hierfür Thomas Feltes genannt werden. Die Gefährlichkeit von Straftätern werde maßlos überschätzt. So seien zum Beispiel 90 % der verwahrten Täter gar nicht gefährlich und sollten eigentlich entlassen werden. Dabei stützte er sich auf eine eigene Studie (Bochumer Studie; Michael Alex: Nachträgliche Sicherungs-verwahrung – ein rechtsstaatliches und kriminalpolitisches Debakel, Holzkirchen 2010).

Die steckte allerdings voller methodischer Fehler (das in einem anderen Blogeintrag erwähnte Problem der Vier-Felder-Tafel wurde in dieser Studie zusätzlich auch noch verkannt).


Ich weiß, das Thema ist kompliziert und nicht einfach zu vermitteln. Für diejenigen, die sich davon aber nicht abschrecken lassen und in die methodischen Probleme etwas tiefer eintauchen wollen, hier einige Unterlagen zum Nachlesen:







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