Jede Theorie, jedes Thema, jede politische (rechts und links gleichermaßen), jede religiöse, jede anderweitige weltanschauliche Haltung kann zum Spielball glühender Eiferer und radikaler Theoretiker werden und zu einem totalitären Dogma mutieren.
Das lässt sich gegenwärtig auch im Rahmen einer überdrehten Woke-Kultur beobachten. Sie gedeiht in universitären Biotopen, in denen u.a. mit Begriffen wie «rape culture», «critical race theory», «critical whiteness», «struktureller Rassismus» ein ideologischer Überbau für dogmatische Eiferer bereitgestellt wird.
Mit einem radikalen Sendungsbewusstsein haben sie ihre Themen breit in vielen gesellschaftlichen Bereichen verankert. Sie haben sich von ihrem ursprünglichen humanistischen und emanzipatorischen Anliegen aber schon lange weit entfernt und den oft zu beobachtbaren Kipppunkt überschritten, an dem theoretisch sympathische Ideen totalitär überdreht werden. Beim Verfechten der «reinen Lehre» bleiben Fakten und notwendige Differenzierungen auf der Strecke. Ungerechtigkeiten und neue Diskriminierungen sind die Folge.
Eine Vertreterin einer solchen überdrehten Ideologie ist Agota Lavoyer. Sie vertritt die Theorie der oben erwähnten «rape culture». Es handelt sich um eine extreme Rollenpolarisierung, indem die sogenannte «rape culture» als eine gesellschaftliche Ausgangslage verstanden wird, die sexuelle Übergriffe begünstigt, verharmlost und damit in wesentlicher Weise kausal begründet. Sie sei vorwiegend durch Männer und Männlichkeitsvorstellungen
geprägt. Damit kommt diese Idee, die sich Aktivisten aus den Fingern gesogen haben, der Vorstellung nahe, dass sehr viele Männer mehr oder weniger Täter und alle Frauen daher im Alltag vielfältigen Opfererfahrungen ausgesetzt sind.
Es ist falsch, z.B. Vergewaltigungen als eine Folge allgemeiner gesellschaftlicher Umstände zu verstehen. Denn die Persönlichkeitsmerkmale von Männern, die vergewaltigen, unterscheiden sich deutlich von der grossen Mehrheit der Männer, die das nicht tut.
Es ist der eklatanten Fehlentwicklung der Sechziger Siebziger, Achtziger, Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts geschuldet, dass man Straftaten frei nach dem marxistischen Motto «das Sein prägt das Bewusstsein» generell gesellschaftlichen Ursachen zugeordnet hat und sie damit als gewissermassen Resultat eines gesellschaftlichen Versagens interpretierte. Das hatte gravierende Folgen, die unter anderem in der achselzuckenden Toleranz hoher Rückfallraten und entsprechende Opferzahlen Ihren Ausdruck fand.
(Ich habe hierzu schon verschiedentlich Stellung genommen und verweise hier u.a. auf mein Modell von Persönlichkeits- und Situationstätern und den BLOG-Beitrag zur Zeitenwende, siehe unten unter «Hintergrund»)
«Rape Culture» knüpft an die geschilderte Fehlentwicklung des vergangenen Jahrhunderts mit ihren verheerenden Auswirkungen nahtlos an.
Eine sichtbare Folge dieser in ihren Auswirkungen totalitären Theorie ist eine Zunahme von Falschbeschuldigungen, von denen meistens Männer betroffen sind. Solche Falschbeschuldigungen haben für die davon betroffenen Menschen fatale Auswirkungen und es handelt sich bei Falschbeschuldigungen um schwere Straftaten. Diese und andere «Nebenwirkungen» werden aber von den Vertretern der reinen Lehre ignoriert. Die Betroffenen werden stigmatisiert, weil sie nicht in die polarisierte Theorie (Männer = Täter und Frauen = Opfer) passen.
ABER: Wenn man sich für Opfer einsetzt, dann setzt man sich für alle Opfer ein und nicht nur für die, die in das bequeme eigene Weltbild passen.
Bemerkenswert, aber auch bezeichnend für einseitige gesellschaftliche Stimmung ist es, wie unkritisch die Thesen von Lavoyer von vielen Medien verbreitet werden.
Im Artikel wird übrigens auch der Kriminologe Dirk Baier mit folgender Aussage zitiert: «Baier glaubt nicht, dass sich die tiefe Verurteilungsquote mit zunehmenden Falschbeschuldigungen erklären lasse. Diese kämen sehr selten vor.»
Baier führt interessante kriminologische Studien durch. Aber in seinem Votum zeigt sich auch der typisch blinde Fleck vieler Kriminologen. Da sie meist mit der Praxis, mit konkreten Kriminalfällen und mit Tätern nichts zu tun haben, sondern nur Statistiken auswerten, können Sie bestimmte und oft sehr wichtige Phänomene nicht erkennen.
Falschbeschuldigungen führen im Strafrecht fast immer zur Einstellung des Verfahrens und fast nie zu einer Gegenanzeige wegen Falschbeschuldigung und darum auch nur in seltenen Ausnahmefällen zu einer entsprechenden Verurteilung. Deswegen sieht man die meisten Falschbeschuldigungen nicht in der Statistik. Wenn man sich nun auf die Statistik abstützt und die Praxis nicht kennt, verkennt man das Ausmaß des Problems.
Nachfolgend der Artikel von Andreas Maurer (Text) und Ruben Schönenberger (Daten) zum Thema (Aargauer Zeitung vom 13.07.2024).
Nachfolgend der Artikel (Online-Link mit Aboschwelle und als PDF zum Download)
1. Artikel als PDF zum Download
3. Hintergrund: Persönlichkeits- und Situationstäter
4. Hintergrund: Zeitenwende (zur Fehlentwicklung bis Mitte der 1990er Jahre)
Kommentare